Allgemein
Martin Koch
Herr Müller, Abteilungsleiter Vertrieb der XYZ GmbH, kam eine Viertelstunde zu spät zum vereinbarten Vorstellungsgespräch. Das kann passieren, muss es aber nicht, dachte ich mir noch so, als wir den leider wenig vorbereiteten Konferenzraum betraten. Nicht nur, dass die Gläser, Tassen und Kekskrümmel der vorhergehenden Besprechung noch gegenwärtig waren, auch die Anstrengungen der Vornutzer waren der Luft im Raum noch deutlich zu entnehmen.

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Die Tragödie setzte sich leider dadurch fort, dass Herr Müller sich zunächst beim ebenfalls anwesenden Personalleiter mit den Unterlagen meines Kandidaten versorgte und ich mich anschließend des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass es für Herrn Müller das erste Mal war, dass er diese Unterlagen zu Gesicht bekam. Schließlich klingelte ein Handy, Herr Müller entschuldigte sich mitten im Vortrag meines Kandidaten, nahm das „lebenswichtige“ Gespräch an und verließ den Raum. Die Entscheidung meines Kandidaten, bei diesem Unternehmen, der XYZ GmbH nicht anzufangen, kann ich noch heute nachempfinden.

Zugegeben, ein bisschen überspitzt, leider jedoch bis auf die Namen nicht frei erfunden. Es geht auch anders, dies zeigte mir ein langjähriger Kunde erst wieder vor einigen Wochen. Dort wurde mein Kandidat am Empfang des Unternehmens wie ein Ehrengast begrüßt – auf die namentliche Begrüßung am Großbildschirm im Foyer wurde aus Datenschutzgründen richtigerweise verzichtet – und überpünktlich von der zuständigen HR Business Partnerin in Empfang genommen. Der Konferenzraum vorbereitet, viel frische Luft, kalte Getränke und frischer Kaffee. Sogar der Geschäftsführer des Unternehmens ließ es sich nicht nehmen, kurz „Hallo“ zu sagen, bevor wir mit dem eigentlichen Gesprächspartner, dem Technischen Leiter, in freundlicher Atmosphäre in einen zwar intensiven, jedoch stets entspannten Dialog eintraten. Beiden Seiten haben in diesem Gespräch die Möglichkeit genutzt, sich von Ihrer besten, jedoch realistischen Seite zu zeigen. Die einige Tage später erfolgte Unterzeichnung des Arbeitsvertrags war danach nur noch reine Formsache.

Was hier einfach klingt, ist die Summe aus einem grundsätzlich wertschätzenden Umgang, persönlicher und organisatorischer Vorbereitung und wie immer, einem großen Stück gesundem Menschenverstand. Schließen Sie doch einfach mal die Augen und stellen Sie sich vor, wie Sie diesen Moment eines Vorstellungsgesprächs bei einem Unternehmen, welches Ihr zukünftiger Arbeitgeber, Ihre berufliche Heimat für die nächsten erfolgreichen Jahre werden will und soll, erleben möchten. Ok, ziehen Sie von Ihren schlaraffenlandähnlichen Gedanken die fliegenden gebratenen Hühner ab, und sorgen Sie in Ihrem Unternehmen dafür, dass der Rest passt. Leichter werden Sie sich einen Wettbewerbsvorteil im „war for talents“ nicht erarbeiten können. Viel Erfolg!